S. Cremer: "Mobilisierung von Schwermetallen in Porenwässern von belasteten Böden und Deponien: Entwicklung eines aussagekräftigen Elutionsverfahrens"

5. Anwendungsvorschrift des pHstat-Versuchs

5.1 Anwendungsbereich / 5.2 Geräte und Chemikalien / 5.3 Probenvorbereitung
5.4 Durchführung des Elutionsversuchs / 5.5 Probennachbereitung / 5.6 Auswertung 


5.1 Anwendungsbereich

Das Verfahren ist auf die Untersuchung von Feststoffen auf pH-abhängiges Elutionsverhalten ausgerichtet. Neben der hauptsächlichen Anwendung auf Abfall- und Reststoffe können auch Böden untersucht werden. Die Feststoffe werden routinemäßig bei zwei standardisierten pH-Werten untersucht, bei pH 4 im sauren Milieu und bei pH 11 im alkalischen Milieu, um die Vergleichbarkeit von Ergebnissen zu gewährleisten. Ergebnisse des alkalischen Zweigs bei der Elution von Bodenproben beschreiben vorrangig die Mobilisierbarkeit alkalilöslicher Schwermetall-Huminstoffkomplexe; die Entwicklung des Boden-pH-Werts bis auf pH 11 ist nicht realistisch. Bei Materialien aus stark reduzierenden Milieus, wie zum Beispiel Baggerschlämmen aus Hafenbecken oder eutrophierten Gewässern muß beachtet werden, daß hier Änderungen der Sauerstoffversorgung (Redox-Potential) großen Einfluß auf das Mobilisationsverhalten von Schwermetallen haben können. Die Aussagekraft des Verfahrens kann an dieser Stelle eingeschränkt sein.
Der pHstat-Versuch ist wie das DIN-Verfahren S4 nur in Zusammenhang mit einer umfassenden Gesamtbeurteilung der geplanten/vorhandenen Ablagerung einzusetzen. Von größter Bedeutung sind Faktoren wie die Wasserdurchlässigkeit des Materials (kf-Wert). Diese Größen können in einem Schütteltest nicht mit erfaßt werden.
Die Elutionsversuche und die Plausibilitätsprüfung der Analysenergebnisse aus zum Teil hoch matrixbelasteten Elutionslösungen können ausschließlich von qualifizierten Analysenlabors durchgeführt werden. Für die Beurteilung des Langzeit-Elutionsverhaltens von Feststoffen aus den Ergebnissen des pHstat-Versuchs sollten nur Fachkräfte mit erweiterten geochemischen Kenntnissen eingesetzt werden, die die bodenmechanische und hydrogeologische Situation einschätzen können.

Der Versuch wird, um Beeinflussung der Ergebnisse durch unkontrollierte Reaktionen mit pH-Puffern zu vermeiden, ausschließlich mit einer präzise arbeitenden Titrierstation ausgeführt. Feststoff und Eluat werden nach Versuchsende durch Filtration voneinander getrennt. Im Eluat werden die gelösten und fein- und grobdispersen Anteile bis 0,8 mm analytisch bestimmt. Eine weitergehende Bestimmung gröberer Partikel, die durch Sickerwässer unter Umständen transportiert werden können, ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht vorgesehen.
Ergebnisse des pHstat-Versuchs sind keine Lösungskonzentrationen, die real in Porenwässern einer Ablagerung zu erwarten sind und dürfen daher nicht in [mggelöst/LLösungsvolumen] sondern in ausschließlich in der Einheit [mg/kg] angegeben werden, die den absolut mobilisierten Anteil einer Komponente in Relation zu der eingesetzten Feststoffeinwaage beschreibt.


5.2 Geräte und Chemikalien
5.3 Probenvorbereitung

5.3.1 Probennahme

Für den Elutionsversuch wird eine sehr kleine Teilprobe entnommen, die repräsentativ für den Gesamtprobenumfang sein soll. Bei Abfallstoffen aus der Produktion oder von Altstandorten sollten daher große Mengen (bei Bedarf bis zu mehreren 100 kg) entnommen werden und homogenisiert werden. Für die Probennahme von altlastverdächtigen Flächen gelten die Richtlinien, die vom Landesamt für Wasser und Abfall empfohlen werden (LWA, 1989).

5.3.2 Zerkleinerung fester Proben

Der Feststoff sollte nach Möglichkeit in unveränderter Körnung untersucht werden, bei grobstückigem Material entsprechend in einem Rührversuch. Bei Routineversuchen im Schüttelversuch sollten große Einzelpartikel von der original vorhandenen Feinfraktion getrennt auf eine maximale Korngröße von 6 mm gebrochen werden. Das ermöglicht die Abtrennung und Verwerfung des künstlich erzeugten Feinanteils durch trockene Siebung über ein Sieb mit 6 mm Weite. Durch die unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften des Probenguts ist bei gleicher Brechereinstellung oft nicht gewährleistet, daß ein konstantes Kornspektrum erzeugt werden kann. Der Brecher muß in einem Vorversuch auf die Zerfallseigenschaften des Materials eingestellt werden. Mahlen des Probenguts ist nicht zulässig.

5.3.3 Vorbereitung stark wasserhaltiger Proben

Bei Proben mit hohem Wasseranteil muß vor der Versuchsdurchführung der Wassergehalt bestimmt werden, um soviel von der Probe einzuwiegen, daß das Lösungs-/Feststoffverhältnis von 10, das diesem Versuch zugrunde liegt, eingehalten werden kann. Teilsuspendierte Proben sollten, wenn sie in diesem Zustand deponiert werden sollen, auch unverändert eluiert werden. Abtrennung des vorhandenen Wasseranteils ist daher nicht notwendig, mit Restfeuchte einzubauende Abfallstoffe sollten in keinem Fall vor der Elution getrocknet werden.


5.4 Durchführung des Elutionsversuchs

5.4.1 Bedingungen des chemischen Milieus

Die korrekte Durchführung des pHstat-Versuchs ist nur bei der Verwendung einer Mikroprozessor-gesteuerten Titrierstation gewährleistet, die aufgrund eines speziellen Algorithmus' in der Lage ist, die Reaktionsverzögerungen, die typisch für eine Suspensionstitration sind, auszuregeln. Um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, muß das chemische Milieu der lutionslösung in folgendem Rahmen stabilisiert werden:

5.4.2 Hydrodynamische Bedingungen

Die Ausbildung von stationären Konzentrationsgradienten in der Kontaktzone zwischen Feststoff und Lösungsphase sollte vermieden werden, um eine hohe Reproduzierbarkeit des Versuchs zu gewährleisten. Der Abrieb der Probe muß auf ein Minimum beschränkt werden.
Das Probenmaterial muß daher durch die Schüttelbewegung des Reaktionsgefäßes vollständig in Bewegung gehalten werden. Da während der gesamten Versuchsdauer Elektroden und Zuleitungen in die Lösung eintauchen, können keine Überkopfschüttler eingesetzt werden. Der Versuch wird vorzugsweise auf einem Kreisschüttler oder einer ähnlichen Apparatur durchgeführt, die eine Bewegung in zwei Dimensionen erlaubt. Als Reaktionsgefäße sind Weithals-Erlenmeyerkolben oder speziell angepaßte Reaktionsgefäße einzusetzen, die mit einem Deckel abgeschlossen werden müssen, um die Verdunstung gering zu halten. Der Deckel ist gleichzeitig die Führung für die pH-Elektrode und die Zuleitungen für den Titrator.
In Spezialfällen kann die Untersuchung unzerkleinerten, grobstückigen Materials notwendig sein. Für derartige Anwendungen kann der Schüttelversuch in einen Rührversuch abgewandelt werden. Die gesamte Elutionslösung wird durch einen oder mehrere Flügelrührer in ständiger Bewegung gehalten, um die Sedimentation von feinerem Material im Strömungsschatten größerer Partikel gering zu halten und die Ausbildung von Konzentrationsgradienten zu verhindern. Als Elutionsgefäß können Bechergläser entsprechender Größe verwendet werden; wenn die Probenmenge deutlich größer als 500 g ist, auch Kunststoffbehälter. Die Höhe der Wassersäule im Elutionsgefäß darf ihre Breite nicht überschreiten; diese ausgewogenen Verhältnisse sind aufgrund der besseren Strömungseigenschaften vorzuziehen. Auf keinen Fall sollten ungeeignete Elutionsgefäße entscheidenden Einfluß auf die Wahl des Kornspektrums und der eingesetzten Probenmenge haben.

5.4.3 Durchführung des Routinetests (Schüttelversuch)

Das ungetrocknete Material, dessen Grobanteil gegebenenfalls vorher durch Brechen auf eine Korngröße um 6 mm gebracht worden ist, wird entsprechend seinem bekannten Wassergehalt so eingewogen, daß die Trockensubstanz in einem Verhältnis von 10 zu der zugegebenen Lösungsmenge steht. Bei Verwendung handelsüblicher Erlenmeyerkolben von 1000 mL Inhalt sind 90 g Trockensubstanz auf 900 mL Wasser zu empfehlen, bei speziellen Elutionsgefäßen sollten 100 g auf 1000 mL Lösung eingewogen werden.
Die verwendeten Elutionsgefäße werden durch Schwenken mit heißer konzentrierter Salpetersäure gereinigt und sorgfältig durch mehrfaches Spülen mit destilliertem Wasser von Säureresten gereinigt. Die Zuführungen für das Titriermittel, die in die Elutionslösung hineinragen, werden mehrere Stunden in kalter Salpetersäure gelagert, anschließend ebenso gründlich von Säurerückständen befreit. Für die Befüllung der Titrierstation werden Salpetersäure (Konzentrationsrichtwert: 2,5 mol/L) bzw. Natronlauge (Konzentrationsrichtwert: 1,0 mol/L) der Reinheitsklasse p.a. bereitgestellt.
Die eingewogene Festsubstanz wird in das Elutionsgefäß gegeben und mit destilliertem Wasser im Feststoff-/Lösungsverhältnis von 10 versetzt. In den bis auf ein oder zwei Entlüftungslöcher dicht schließenden Kunststoffdeckel werden die kalibrierte pH-Elektrode und der Zuführungsschlauch der Titrierstation eingesteckt. Alle Probengefäße werden auf dem Schütteltisch befestigt und mit ausreichender Geschwindigkeit rotiert, so daß der gesamte Feststoffanteil in Bewegung ist.

Das pHstat-Programm der Titrierstation wird gestartet. Der gewählte pH-Wert der Lösung, pH 4 oder pH 11, muß durch Titration mit Salpetersäure bzw. Natronlauge spätestens nach 30 Minuten erreicht sein und während des 24-stündigen Versuchsablaufs mit einer maximalen Abweichung von 0,2 pH-Einheiten vom Soll-pH-Wert konstant gehalten werden. Wenn eine Kontrolle ergibt, daß diese Bedingungen nicht eingehalten werden können, muß der Versuch abgebrochen werden und nach Anpassung der Säure- bzw. Basenkonzentration mit frischem Material neu gestartet werden.
Der Versuch ist nach 24 Stunden beendet. Aus der Datenbank der Titrierstation kann die bis zu diesem Zeitpunkt (nach 24 Stunden) erreichte pH-Pufferkapazität des Materials abgerufen werden, die als ANC24 bzw. BNC24 angegeben wird.

5.4.4 Durchführung eines speziell angepaßten Versuchs für grobstückiges Material (Rührversuch)

Das Material wird in der vorhandenen groben Kornfraktion belassen. Von dem Material wird soviel eingewogen, daß auch bei sehr inhomogenen Proben ein repräsentativer Querschnitt erreicht wird. Die obere Grenze für die Einwaage wird durch das größte verfügbare Gefäß für den Elutionsversuch bestimmt. Ist beispielsweise ein 10-L-Gefäß vorhanden, kann von der Probe entsprechend dem Feststoff-/Lösungsverhältnis von Q 10 das Äquivalent einer Trockenmasse von ca. 800 g auf 8 L Wasser eingewogen werden. Die Konzentration der Titratoren muß in einem Vorversuch bestimmt werden.
Die verwendeten Elutionsgefäße werden durch Schwenken mit heißer konzentrierter Salpetersäure gereinigt und sorgfältig durch mehrfaches Spülen mit destilliertem Wasser von Säureresten gereinigt. Die Zuführungen für das Titriermittel, die in die Elutionslösung hineinragen, werden mehrere Stunden in kalter Salpetersäure gelagert, anschließend ebenso gründlich von Säurerückständen befreit. Für die Befüllung der Titrierstation werden Salpetersäure bzw. Natronlauge der Reinheitsklasse p.a. bereitgestellt.
Die Probe wird in ein geeignetes Gefäß gegeben und gleichmäßig über die gesamte Bodenfläche verteilt. Als Elutionsgefäß können z.B. Bechergläser entsprechender Größe verwendet werden; wenn die Probenmenge deutlich größer als 500 g ist, auch Kunststoffbehälter. Die Höhe der Wassersäule im Elutionsgefäß darf ihre Breite nicht überschreiten; ausgewogene Verhältnisse sind aufgrund der besseren Strömungseigenschaften vorzuziehen.
In den Kunststoffdeckel werden die kalibrierte pH-Elektrode und der Zuführungsschlauch der Titrierstation eingesteckt. Durch eine Bohrung, die nur wenig größer als der Durchmesser der Drehflügelwelle ist, wird der Rührflügel des Rührgeräts durchgeführt. Der Flügel sollte sich möglichst dicht über der Probe bewegen.
Die Elutionslösung muß über die gesamte Wassersäule bewegt werden. Probenmaterial und pH-Elektrode müssen ständig umspült werden. Ist dies nicht gewährleistet, wird die Drehzahl des Rührgeräts erhöht oder werden weitere Rührer hinzugefügt.

Das pHstat-Programm der Titrierstation wird gestartet. Der gewählte pH-Wert der Lösung, pH 4 oder pH 11, muß durch Titration mit Salpetersäure bzw. Natronlauge spätestens nach 30 Minuten erreicht sein und während des 24-stündigen Versuchsablaufs mit einer maximalen Abweichung von 0,2 pH-Einheiten vom Soll-pH-Wert konstant gehalten werden. Wenn eine Kontrolle ergibt, daß diese Bedingungen nicht eingehalten werden können, muß der Versuch abgebrochen werden und nach Anpassung der Säure- bzw. Basenkonzentration mit frischem Material neu gestartet werden.
Der Versuch ist nach 24 Stunden beendet. Aus der Datenbank der Titrierstation kann die bis zu diesem Zeitpunkt erreichte pH-Pufferkapazität des Materials abgerufen werden, die als ANC24 bzw. BNC24 angegeben wird.


5.5 Probennachbereitung

5.5.1 Trennung von Eluat und Feststoff

Die Proben werden nach Beendigung des Versuchs zügig über ein 0,8-µm-Cellulosenitrat-Membranfilter von mindestens 50 mm Durchmesser bei Überdruck filtriert. Der Druckaufbau sollte nach Möglichkeit mit einem Inertgas geschehen. Zwischen der Trennung der Probe von der Titrierstation und der endgültigen Konservierung des Eluats in Vorbereitung der Analytik dürfen maximal zwei Stunden liegen.
Es ist unzulässig, Proben ausschließlich zu dekantieren oder nur zu zentrifugieren.

5.5.2 Konservierung des Eluats

Die über ein 0,8-µm-Filter filtrierten Eluate werden in Polyethylen-, Glas- oder Teflonflaschen aufgefangen und durch Zusatz von konzentrierter Salpetersäure (p. a. oder suprapur) auf einen pH-Wert von pH 1 eingestellt. Bis zur Analyse müssen die Proben dunkel und kühl (7° C) gelagert werden.


5.6 Auswertung

Die Mobilisationsdaten der analytisch bestimmten Parameter werden werden absolut auf die Trockeneinwaage des Feststoffs bezogen (Gleichung 1):


 

(1) w = ß*(Va+Vt) / m [mg/kg]
Darin bedeuten: Die Säureneutralisationskapazität (bis 24 Stunden, ANC24) wird aus Gleichung 2 berechnet:


 

(2) ANC24 = (Vt*c*1000) / m [meq/kg]
Darin bedeuten:
 
Vt Zutitriertes Volumen nach 24 Stunden, [mL] 
c Konzentration der Säure, [eq/L]
m Trocken-Masse des eingewogenen Feststoffs, [g]
Die Basenneutralisationskapazität (bis 24 Stunden, BNC24) wird aus Gleichung 3 berechnet:


 

(3) BNC24= (Vt*c*1000) / m [meq/kg]
Darin bedeuten:
 
Vt Zutitriertes Volumen nach 24 Stunden, [mL] 
c Konzentration der Säure, [eq/L]
m Trocken-Masse des eingewogenen Feststoffs, [g]
 

Literatur
zum Thema pHstat-Elution
Veröffentlichungen / Diskussionsbeiträge
zu den Themen Elution und pHstat
Diskussionsliste 
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und pHstat