6.1.1 Abfälle und Altlastproben / 6.1.2 Materialien aus der Reststoffverwertung / 6.1.3 Belastete Böden
Die hier vorgestellten Abfallstoffe umfassen vier Proben, die direkt
der Produktion entnommen wurden (Kiesabbrand, MV-Asche, Emulsions- und
Galvanikschlamm) und drei Proben, die von gut dokumentierten Altstandorten
stammen (Zinkhüttenschlacke, Zinksalz, Cu-Silikatschlacke). Die Herkunft
der Abfallstoffe und der Proben von Altstandorten wurde beschrieben, ohne
den Datenschutz gegenüber den Bereitstellern des Materials zu verletzen.
Fehlende Dokumentation von Probenahmestandorten in den folgenden Kapiteln
ist in keinem Fall durch ungenügende Recherche begründet.
Von allen Proben wurden Mengen in der Größenordnung von
600 bis 1000 kg in Kunststoffsäcken entnommen, bei Altstandorten mit
Hilfe von Bagger und Schaufelradlader. Die Proben wurden bei 105° C
getrocknet, auf eine Korngröße von maximal 6 mm gebrochen und
nach der Methode des Viertelns homogenisiert (BENNER,
1989). Die homogenisierte Gesamtprobe wurde auf Kunststoffbeutel mit
je 2 bis 3 kg Inhalt für die Versuche und größere Gebinde
als Rückstellprobe verteilt und kühl und dunkel gelagert.
6.1.1.1 Oxidischer Rückstand aus der Pyritröstung (Kiesabbrand)
6.1.1.2 Asche aus kommunaler Hausmüllverbrennung (MV-Asche)
6.1.1.3 Rückstand aus der Emulsionstrennung (Emulsionsschlamm), vermischt mit Galvanikschlämmen
6.1.1.4 Rückstand aus Galvanikbädern (Galvanikschlamm)
6.1.1.6 Probe von der Halde einer ehemaligen Zinkhütte (Zinkhüttenschlacke)
6.1.1.7 Probe einer alten Zn/Cu-Silikat-Ablagerung (Cu-Silikatschlacke)
6.1.1.8 Probe von Produktionsrückständen einer ehemaligen Säurefabrik (Zinksalz)
Neben der Beurteilung von zu deponierenden Abfallstoffen ist auch die
Umweltverträglichkeitsprüfung von wiederverwendbaren Industriereststoffen
von großer Bedeutung. Mit dem hier entwickelten Elutionsverfahren
können Reststoffe auf ihr Verhalten an zwei Extrempunkten des pH-Milieus
untersucht werden, um festzustellen, wo sie ohne Gefährdung des Grundwassers
eingesetzt werden können.
Rückstände aus der Rauchgasreinigung von Müllverbrennungsanlagen
werden in einem neuentwickelten Verfahren zusammen mit Zement oder Calciumhydroxid
zu eierkohleförmigen Pellets geformt, die aufgrund einer speziellen
Nachbehandlung arm an chemisch instabilem CaCO3 sind. Ziel dieses Verfahrens
ist, die Schwermetalle in schwer angreifbaren Silikaten und Aluminaten
zu konzentrieren (SARAN, 1991). Das Material
soll möglicherweise in Ersatz von Kies als Deponieabdeckung oder Drainagematerial
unter Deponien eingesetzt werden, muß also unter Witterungsbedingungen
im Elutionsverhalten unbedenklich für das Grundwasser sein.
Abb. 65: Ergebnisse von Schüttelversuchen mit verpreßten Flugstäuben aus der Müllverbrennung im S4- und pHstat-Versuch bei pH 4 und pH 11.
Aufgrund der großen Abmessungen des Probenmaterials (Längsachse
der Pellets 3,5 cm) wurden die Versuche nicht in einer Suspension sondern
in einem Rührversuch durchgeführt, bei dem sich das Material
unbewegt auf dem Boden des Gefäßes befand, während die
Lösung durch einen Flügelrührer durchmischt wurde.
Die zementierten Pellets haben im 24-Stundenversuch einen sehr geringen
Säureverbrauch von durchschnittlich 30 meq/kg und einen Basenverbrauch
in der gleichen Größenordnung (ca. 30 meq/kg). Die ANC24 liegt
damit an der unteren Grenze der im Rahmen dieser Studie untersuchten Abfall-/Reststoffe.
Die Korngröße im Kiesbereich und die Art des geplanten Einsatzes
(Abdeckungs- bzw. Drainagematerial) zeichnen vor, daß das Material
sich im Kontakt einer frei beweglichen wäßrigen Lösungsphase
befinden kann. Entwicklungen, wie sie Abbildung 65
beschreibt, sind also ohne weiteres möglich: Bei Einwirkung einer
sauren Lösung, beispielsweise Regenwasser, können hauptsächlich
Zink und Cadmium, Kupfer und Blei aus der Festphase mobilisiert werden.
Ist das Material beispielsweise als Drainageschicht unter einer Deponie
mit alkalischen Sickerwässern eingebaut, sind in der Hauptsache Freisetzungen
von Zink, Cadmium und Blei zu erwarten.
Für die quantitative Diskussion der Versuchsergebnisse liegen
zur Zeit keine Vergleichsdaten anderer Materialien vor. Interessant wäre
eine Gegenüberstellung der Elutionsdaten mit Daten anderer Kiesersatzstoffe
bzw. anderen Verfahren zur Einbindung und Immobilisierung von Schwermetallen
aus Rauchgasrückständen von Müllverbrennungsanlagen. Der
pHstat-Versuch hat bei der Beurteilung von wiederverwendbaren Reststoffen
eine zentrale Bedeutung. Er ermöglicht die Charakterisierung des pH-abhängigen
Elutionsverhaltens verschiedener Materialien durch Ermittlung vergleichbarer
Materialkennwerte.
Die isolierte Betrachtung des Mobilisationsverhaltens von Schwermetallen
aus Abfallstoffen ging von folgender Grundvoraussetzung aus: Lagerung unter
natürlichen Witterungsbedingungen im Einflußbereich von Niederschlag
und Sicker- oder sogar Grundwasser. Die Deponierung von Abfallstoffen ist
nur einer der Problemkreise, die für den Austrag von Schwermetallen
aus der Festphase relevant sind. Natürliche Böden können
durch geogene Grundbelastung oder anthropogene Immission genauso zur Quelle
eines Schadstoffeintrags in das Grundwasser werden, da sie den gleichen
Witterungsbedingungen wie deponierte Abfallstoffe unterliegen.
Auf Empfehlung der Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung
und Forstplanung NRW (LÖLF) wurden vier Standorte in NRW flächendeckend
beprobt, die bereits als mit Schwermetallen kontaminiert ausgewiesen waren.
An den jeweiligen Standorten wurden außerdem Referenz-Proben von
als unbelastet geltenden Flächen gewonnen. Die Proben wurden mit einem
Schneckenbohrer entnommen; auf Ackerflächen betrug die maximale Entnahmetiefe
30 cm, bei Grünland wurden etwa 10 cm des oberen Bodenhorizonts ohne
die Wurzelzone erfaßt. Für einen Probennahmestandort wurden
jeweils etwa 40 kg Bodenmaterial aus 30 bis 40 Einstichen gesammelt und
homogenisiert. Zusätzlich wurde pro Fläche eine Bohrung mit einem
Schneckenbohrer abgeteuft, aus der über die Tiefe Einzelproben von
1 bis 2 kg entnommen wurden. Anhand dieser Bohrungen wurde im Rahmen einer
Diplomarbeit an der Universität Bochum die tiefenspezifische Verteilung
und Mobilität der Schwermetalle untersucht (WEFERS,
1991). WEFERS eluierte die Proben ausschließlich unter den für
Böden relevanten suren pH-Bedingungen bei pH 4. In Abweichung zu der
bereits beschriebenen Arbeitsanleitung für den pHstat-Versuch verwendete
WEFERS Filter mit einer Porenweite von 0,45 mm Porenweite zur Filtration;
die Werte sind allerdings ohne weiteres mit Werten aus Versuchen vergleichbar,
deren Eluate über ein 0,8 mm Filter filtriert wurden (Kap.
3.3.3.1.2).
6.1.3.1 Klärschlammbelastete Fläche in Hagen
6.1.3.2 Ackerfläche in Mechernich, beeinflußt durch Blei/Zink-Bergbau
6.1.3.3 Bodenneubildungen im Pb/Zn-Bergbaugebiet Stolberg
6.1.3.4 Grünland in Solingen, belastet durch Schlämme einer Metallschleiferei
6.1.3.5 Ergebnisse der tiefenspezifischen Untersuchung von Bodenproben
Im Auftrag der Stadtwerke Viersen GmbH wurden im Jahr 1988 im Rahmen
einer Diplomarbeit von SCHULENBERG (1989) Untersuchungen
zur hydrochemischen und hydromechanischen Verbindung mehrerer Grundwasserhorizonte
im Einzugsbereich der Wassergewinnung Amern durchgeführt. Die grundwasserführenden
Schichten gliedern sich im Raum der Venloer Scholle in zwei Hauptstockwerke,
die durch das Braunkohleflöz Morken getrennt werden. Beprobt wurden
ausschließlich Wässer und Sedimente aus dem höheren Teil
des oberen Stockwerks.
Das obere Stockwerk wird durch mehrere grundwasserhemmende Tonschichten
in einzelne, teilweise miteinander verbundene Horizonte gegliedert. Im
Bereich der hier diskutierten Bohrung ML1 wurde folgende stratigraphische
Abfolge angetroffen (SCHULENBERG, 1989; numerische
Klassifikation nach SCHNEIDER & THIELE, 1965):
Jüngere Hauptterrasse | 16 |
Tegelen-Ton | 15 |
Ältere Hauptterrasse | 14 |
Reuver-Ton | 13B |
Reuver-Kies | 13 |
Reuver-Ton | 13B |
Reuver-Kies | 13 |
Rot-Ton | 9 |
Kieseloolithe | 8 |
Grundwasserführende Schichten sind die beiden Hauptterrassenkörper mit der Nummer 16 und 14 und die beiden tertiären Schichtpakete des Reuver-Kieses (13) und des Kieselooliths (8). Die kursiv gedruckten Einheiten bezeichnen gering grundwasserleitende, hauptsächlich tonige Schichten; der Reuverton (13B) und der Reuverkies spalten sich in der in der Bohrung ML1 angetroffenen Abfolge in je zwei Schichtpakete (SCHULENBERG, 1989).
Die vier beprobten Grundwasserhorizonte, 16, 14, 13 und 8, weisen im Einzugsgebiet der Wassergewinnung Amern unter anderem erhöhte Nickel- und Cobaltgehalte auf (ohne Abbildung). In Abb. 86 (kleines Bild) wird deutlich, daß die pH-Werte im obersten Stockwerk (16) oberflächennah bis auf pH 4,8 zurückgehen. In diesem Bereich steigen die Nickelgehalte im Grundwasser erheblich an. Noch deutlicher ist die über die gesamte Tiefe zu beobachtende Korrelation der beiden Elemente Nickel und Calcium: Bis auf die oberflächennahe Probe bedeuten hohe Calciumgehalte im Grundwasser auch hohe Schwermetallgehalte.
Abb. 86: Analysendaten von Grundwasserproben der Bohrung ML1 in Amern. Die Nickelgehalte korellieren mit den Calciumgehalten der Wässer. In der Nähe der Grundwasseroberfläche sind die pH-Werte bis auf pH 4,8 abgesunken (kleines Bild). Die Nickelgehalte steigen in diesem Bereich wie auch an der Grundwasserunterfläche bei ähnlich niedrigen pH-Werten erheblich an. Die Ziffern bezeichnen die Grundwasserhorizonte nach SCHNEIDER & THIELE, 1965.
Aus einer Kernbohrung der gleichen Lokalität wurden Sedimentproben im pHstat-Versuch bei pH 4 eluiert. Aus den Sedimenten des obersten Stockwerks (16) sind nur geringe Anteile an Calcium freisetzbar (vergl. Abb. 87). Die Kiese sind nahezu entkalkt - die Pufferkapazität des Grundwasserleiters ist bereits erschöpft. Der in Abb. 86 erkennbare Trend der pH-Werte ist eine Versauerungsfront, die sich im obersten Grundwasserhorizont von jüngsten Wasserschichten in die Tiefe bis zum trennenden Tegelen-Ton fortsetzt. Auf der Basis der ANC24 (hier abweichend von der Konvention bei L/S 5 bestimmt) und der niedrigen Freisetzungsanteile von Calcium ist die Prognose möglich, daß sich die Versauerung ungehindert durch pH-pufferndes Ca-Karbonat im Sediment bis auf den Top des Tegelentons fortsetzen wird, wobei Nickel und Calcium zunehmend freigesetzt werden.
Abb. 87: Ergebnisse von Elutionsversuchen bei pH 4 (L/S 5) an Sedimentproben der Kernbohrung ML1. Die aus dem Feststoff freisetzbaren Nickelanteile korrelieren stark mit den mobilisierbaren Calciumgehalten. Horizont 16 ist weitgehend entkalkt.
In den kalkreicheren Sedimenten der Horizonte 14 und 13 sind noch höhere
Kalkanteile bei der sauren Elution zu mobilisieren (vergl. Abb.
87). Die pH-Werte der zugehörigen Grundwasserhorizonte liegen
- karbonatgepuffert - um pH 6.
Parallel zu der Freisetzung von Calcium steigt auch die Konzentration
von Nickel in der Elutionslösung. Ein vergleichbarer Trend ist auch
für Cadmium und Cobalt zu beobachten (ohne Abbildung). Diese Korrelation,
die bereits bei den Lösungsgehalten der Grundwässer (siehe oben)
deutlich wurde, weist darauf hin, daß Nickel zusammen mit Cobalt
und Cadmium Bestandteil einer karbonatischen Mischphase ist. Zwischen Eisen
und den genannten Schwermetallen ist dagegen kein Zusammenhang bei der
Freisetzung im pHstat-Versuch nachweisbar. Die Auflösung der calciumreichen
Mischphase bei Zutritt saurer Wässer würde also in erster Konsequenz
die beteiligten Schwermetalle in die Lösungsphase freigeben.
SCHULENBERG (1989) diskutiert zwei Ansätze zur Erklärung der unterschiedlichen Nickel-Gehalte der Aquifere: Primär niedrigere Nickelgehalte in den Sedimenten der Jüngeren Hauptterrasse (16) oder gleiche Gehalte in beiden Horizonten der beiden Hauptterrassen (16 und 14), verbunden mit sekundärer Abreicherung in der Jüngeren Hauptterrasse. Die gute Korrelation von Calcium und Nickel in den Wässern stützen die Annahme, daß die im Grundwasser beobachteten Nickelkonzentrationen eine Folge der Auflösung von Karbonaten des Grundwasserleiters ist. Der lokale Anstieg der Nickelwerte im Bereich der Grundwasseroberfläche, der auf einen Eintrag über die Sickerwasserstrecke hinweist, spricht nicht gegen diese Auslegung. Wenn die Nickelgehalte des Grundwassers tatsächlich aus den Sedimenten des Aquifers mobilisiert wurden, kann für die Zukunft prognostiziert werden, daß die Gehalte im Bereich der Jüngeren Hauptterrasse (Nr. 16 in Abb. 171) nicht mehr merklich ansteigen können: Mobilisierbare Anteile des Schadstoff-Trägers sind im Sediment bereits stark abgereichert, wie der pHstat-Versuch bei pH 4 belegt. Bei weiterem Absinken der pH-Werte in diesem Horizont von bisher minimal pH 4,8 auf pH 4 können nur noch geringe Anteile aus dem Sediment freigesetzt werden. Höhere Anteile von Nickel bei Auflösung der Karbonatphase sind vor allen Dingen aus den Reuverkiesen (13) zu erwarten. SCHULENBERG (1989) konnte nachweisen, daß die trennenden Tonhorizonte zwischen den Grundwasserhorizonten gebietsweise unterbrochen sein können und somit der Zutritt saurer Grundwässer möglich ist.
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Diskussionsliste
zu den Themen Elution und pHstat |