Untersuchungen zum Elutionsverhalten
von Abfällen und Reststoffen
mit Hilfe des pHstat-Verfahrens
Dr. Albrecht Paschke
UFZ Umweltforschungszentrum Leipzig Halle, Sektion Chemische Ökotoxikologie
Permoserstrasse 15, D-04318 Leipzig
Vortrag auf dem Fachgespräch Feststoffuntersuchung 1998

Der pHstat Schütteltest nach Obermann und Cremer [1] hat sich als neues, aussagekräftigeres Verfahren zur Bewertung von Abfallmaterialien etabliert [2 4]. Zunehmende Bedeutung gewinnt das Verfahren auch bei der Untersuchung von Böden [5 7], Sedimenten und Klärschlämmen [8 10]. Noch fehlen jedoch einheitliche Be-wertungsmaßstäbe für die Ergebnisse der pHstat Versuche [2], obwohl es erste Ansätze dazu gibt [1, 3, 8]. Gegenstand unserer Arbeit war ein exemplarischer Vergleich von Extraktions  und Schütteltests zur Abschät-zung der Mobilisierbarkeit von Schwermetallen/As und polyzyklischen Aromaten (PAK) an ausgewählten Reststoffen und Abfällen aus Sachsen Anhalt. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf typische Massen-abfälle (Halden/Tailingsmaterial aus dem Mansfelder Kupferschiefer-Bergbaurevier, Baggerschlämme aus der Saale, Gießerei Altsande, Rückstände aus der Rauchgasreinigung).
Sie umfaßten folgende Schritte: Aus den Resultaten unserer Untersuchungen lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
  1. Die sequentielle Extraktion kann eine mineralogische Charakterisierung des Materials nicht ersetzen, man kommt aber zu einem differenzierteren Bild über die phasenspezifischen Bindungsverhältnisse der Schwermetalle und kann ihr Freisetzungspotential abschätzen. Da die Resultate der sequentiellen Extrakti-on methodisch bestimmt sind, ist die strenge Festlegung und Validierung einer speziellen Prozedur erfor-derlich, um Vergleichbarkeit zu erreichen. Diesen Weg verfolgt das Büro für Referenzmaterialien (BCR) der EU bereits für Sedimente und Böden [12].
  2. Im pHstat Schütteltest bei pH = 4 zeigen neben den Schwermetallen (wie hinlänglich bekannt, siehe Abb. 1, vgl. z.B. [1, 3]), mitunter auch die PAK eine wesentlich höhere Mobilisierbarkeit als im DEV S4-Test (siehe Abb. 2, vgl. auch [13]). Wann die erhöhte Schadstoff Freisetzung aber im Freiland tatsächlich ein-tritt, hängt neben den konkreten Verwertungs  bzw. Ablagerungsbedingungen und den Umwelteinflüssen (z.B. der Depositionsrate an sauren Niederschlägen, dem Säurebildungsvermögen der Deckschichten, der Wasserströmung etc.) auch vom Material selbst ab. Die während des pHstat Versuches gemessene Säure  bzw. Basenneutralisationskapazität (ANC bzw. BNC) ist ein komplexes Maß für die Pufferwirkung des Materials und für die langfristige Entwicklung des pH Milieus im abgelagerten Feststoff. Die untersuchten Proben zeigten extreme Unterschiede in der ANC, die bei der Materialbewertung unbedingt beachtet wer-den müssen.
  3. Für die allgemeine Einbeziehung der ANC24/ BNC24 Werte (d.h. aus 24stündigen Versuchen) in die Bewertung von kontaminierten Feststoffen muß noch methodische Arbeit geleistet werden.

  4. Erstens sollte eine umfassenden ANC24/ BNC24 Vergleichsskala erstellt werden. - Tabelle 1 faßt zur Orientierung einige bisher veröffentlichte und aus eigenen Untersuchungen stammende ANC24/ BNC24 Werte der unterschiedlichsten Materialien zusammen.
    Zweitens muß unter Beachtung der zeitlichen ANC Entwicklung im pHstat Versuch die Korrelation der ANC24 Werte mit den Gesamt Pufferkapazitäten der Materialien ge-prüft werden, um eine gesicherte Langzeitprognose geben zu können (siehe Abb. 3, vgl. [1, 8, 14]).
    Drittens ist es zur Etablierung des pHstat Schütteltests als verbindliches Untersuchungsverfahren für Abfälle und Reststoffe erforderlich, spezielle Bewertungsmaßstäbe für pHstat Eluate zu definieren (z.B. in Anlehnung an die Schweizer TVA [15]).
  5. Bei der Festlegung von neuen Bewertungsmaßstäben sollte man nicht nur von analytischen Resultaten ausgehen, sondern auch biologische Wirkungstests an den Eluaten berücksichtigen [1618], um eine bessere Abschätzung des ökotoxischen Gefährdungspotentials zu ermöglichen.
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Literatur
 
[l] P. Obermann und S. Cremer: Mobilisierung von Schwermetallen in Porenwässern von belasteten Böden und Deponien: Entwicklung eines aussagekräftigen Elutionsverfahrens. Materialien zur Ermittlung und Sanierung von Altlasten, Band 6, Landesamt für Wasser und Abfall Nordrhein Westfalen, Düsseldorf, 1992. 
[2] Fachgruppe Wasserchemie der GDCh (Hsg.): Chemie und Biologie der Altlasten, VCH, Weinheim 1997. 
[3]  A. Paschke, R. Wennrich, P. Morgenstern, G. Schumann und G. Schüürmann: Chem. Technik 49 (1997) 157 168.
[4] P. Wunsch, C. Greilinger, D. Bieniek and A. Kettrup: Fresenius  Environ. Bull. 6 (1997) 234 239. 
[5] M. Kaupenjohann und W. Wilcke: Mitteil. Dt. Bodenkund. Ges. 76 (1995) 1441-1444. 
[6] H.E. Gäbler: J. Geochem. Explor. 58 (1997) 185 194. 
[7] A. Krüger, A. Paschke, B. Schneider, E. Büttner und H. Neumeister: Petermanns Geographische Mitteilungen 142 (1998), im Druck. 
[8] I. Haase und U. Förstner: Acta hydrochim. hydrobiol. 23 (1995) 53 60. 
[9] F. Sommerfeld und G. Schwedt: Acta hydrochim. hydrobiol. 23 (1995) 255 259. 
[10] W. Calmano und U. Förstner (Eds.) Sediments and Toxic Substances. Springer, Berlin/Heidelberg 1996. 
[11] J. Schoer und U. Förstner: Vom Wasser 69 (1987) 23 32. 
[12] A.M. Ure, C.M. Dawidson and R.P. Thomas, Chap.20 in: Quality Assurance for Environmental Analysis (ed. by P. Quevauviller, E.A. Maier and B. Griepnik), Elsevier, Amsterdam 1995. 
[13] A. Paschke, P. Popp,  J. Winkler und G. Schumann und G. Schüürmann, Chem. Technik, in Vorbereitung 1999. 
[14] A. Paschke, R. Wennrich und P. Morgenstern: Acta hydrochim. hydrobiol., submitted 1998. 
[15] Schweizer Technische Verordnung über Abfälle (TVA) vom 10.12.1990, SR 814.015, Bern 1990 (zitiert nach U. Förstner, in: Alloway, B.J. and Ayres, D.C.: Schadstoffe in der Umwelt, Spektrum Akadem. Verlag, Heidelberg 1996). 
[16] F. Sommerfeld und G. Schwedt: UWSF   Z. Umweltchem. Ökotox. 8 (1996) 303-306. 
[17] R. Sallenave and A. Fomin: Acta hydrochim. hydrobiol. 25 (1997) 135 140. 
[18] A. Fomin, A. Paschke and U. Arndt: Mutation Research, accepted 1998. 
[19] W. Brack, A. Paschke, H. Segner, R.Wennrich, G. Schüürmann: Chemosphere, submitted 1998. 



Tab. 1:
Säure- und Basen-Neutralisationskapazitäten (ANC/BNC) unterschiedlicher Feststoffe;
  ermittelt im 24 h -pHstat -Schütteltest bei pH=4 (HNO3 ) bzw. pH=11 (NaOH).
 
Untersuchtes Material 
ANC24
mmol[H+]/kg 
BNC24
mmol[OH-]/kg
Ackerboden (belastet; Mechernich) [1] 10 95
Furanharz-gebundener Gießerei-Altsand [3] 22 42
Al2Si2O5(OH)4 (Kaolinit) * 28 119
Kupfer-Silikat-Schlacke [1] 50 75
MnO2 * 55 249
Wasserglas-gebundener Gießerei-Altsand [3] 82 24
Fe2O3 · H2O (Goethit) * 120 330
Ackerboden (Sennewitz) 132 94
Al2Si4O10 (OH)2 (Montmorillonit) *  185 3300
Auenboden (Solingen) [1] 200 120
Auenboden (Hagen) [1] 270 300
Humusauflage (Dübener Heide/Kiefernforst)  280 1165
Gartenerde (Bennstedt)  448 117
Theisenschlamm (Helbra/Teich 10) 615
Müllverbrennungs-Asche [1] 740 10
Kupferschiefer-Mergel [3] 799 24
Aldrich-Huminsäure * 1120 3632
Flußsediment (Saale; Halle-Böllberg) 1341 334
Geschiebemergel (Sennewitz) 1870 56
Mergeliger Kalkstein [1] 3091 49
Galvanik-Schlamm [1] 3250 210
Rauchgas-Reinigungsrückstand [3] 9745
Braunkohlen-Filterasche  > 10000
CaCO3 * 19902 41

* Haase, I.: Bewertung des Schadstoffpotentials von Wasserwerksschlämmen, Dissertation, TU Hamburg-Harburg, 1995.



Abb. 1:
Abbildung 1


Abb. 2:
Abbildung 2


Abb. 3:
Abbildung 3

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